Folklore in Italien ist ein Thema für sich, da sind auch die Abruzzen keine Ausnahme und warten mit einem ungewöhnlichen Volksfest auf: Das Schlangenfest in Cocullo (la festa dei serpari) ist zweifellos eines der charakteristischsten Feste in den Abruzzen und ganz Italien. Es findet jedes Jahr am 1. Mai im beschaulichen Bergdorf Cocullo in der Provinz L’Aquila, statt. Hauptpersonen sind der Heilige Dominikus sowie etliche Schlangen und deren Fänger.
Festa dei Serpari in Cocullo – ein italienisches Volksfest der besonderen Art
Spätestens seit dem Ostersonntag wissen wir, in den Abruzzen ist es ein beliebter Brauch Statuen durch die Gegend zu tragen. An Ostern ist es die Madonna, die in Sulmona über die Piazza rennt. Ein paar Wochen später ist es dann nicht die Marienstatue, sondern der Heilige Dominikus, der die Kirchenmauern verlässt und durch das Dorf getragen wird. Damit aber nicht genug! Denn vor der Prozession durch das Bergdorf Cocullo wird die beinahe lebensgroße Holzstatue des heiligen Dominikus mit dutzenden lebendigen Schlangen verziert. Warum auch nicht?
Bei den Schlangen handelt es sich um ungiftige Nattern, die in den Wochen vor dem Fest von den sogenannten „Separi“ (den Schlangenfängern) in den Bergen gesammelt werden. Nach der Prozession werden die Tiere wieder in die Wildnis entlassen.
Schlangenfest in Cocullo: Christentum trifft auf pagane Rituale
Der Benediktinermönch Dominikus von Sora ist 951 in Foligno (in Umbrien) geboren und hat sich als Eremit, Wanderprediger einen Namen gemacht. Schon zu Lebzeiten wirkte er zahlreichen Wunder. Sein Spezialgebiet war die Abwehr von Bären und Wölfen, vor allem aber auch von Schlangen. Daher wird er in den Abruzzen auch als Schutzheiliger gegen Schlangenbisse, Tollwut und Zahnschmerzen verehrt.
Die Ursprünge des Schlangenfest in Cocullo reichen jedoch noch weiter in die Vergangenheit zurück und haben vorchristliche, archaische Wurzeln. Angeblich liegen sie im Kult um die heidnische Göttin Angizia, die der Tradition der antiken abruzzesischen Völker zufolge vor Giften schützen soll.
La festa dei separi – Cocullos großer Tag
Jedes Jahr am 1. Mai lebt das antike Brauchtum wieder auf und wird bei einer großen Prozession gefeiert, die über die Jahre zu einem regelrechten Volksfest herangewachsen ist. Das sonst so verschlafene Dörfchen Cocullo, das nicht weit vom Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise entfernt und vor den Toren Roms liegt, blüht zur alljährlichen „festa dei serpari“ zu neuem Leben auf.

Welcome to Cocullo © Ra Boe / Wikipedia
Zu einem anständigen Volksfest in den abruzzischen Bergen gehört natürlich mehr als Bierausschank, Bratwurststand und Kinderschminken.
Süßer die Glocken nie klingen…
„Die Feier beginnt mit der Ankunft der Pilger in der Kirche von Cocullo. Hier wird die Messe zelebriert, während die Gläubigen symbolische Rituale wiederholen: mit den Zähnen zieht man zum Beispiel ein Seil, das eine Glocke läutet, um sich von Zahnschmerzen zu schützen. Die bedeutendste Figur dieses alten Fests vom heidnischen Ursprung ist der „Serparo“: der Mann, der die Schlagen fängt. Die Serpari kommen alle auf den Hauptplatz von Cocullo zusammen, wo sie der Bevölkerung ihre Schlangen zeigen.“ http://www.abruzzoturismo.it/
Persönlich waen wir bisher leider noch nicht beim Schlangenfest in Cocullo, sondern am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, meist irgendwo in Kreuzberg unterwegs.
Männer, die der Bevölkerung ihre Schlangen zeigen, mit Reptilien geschmückte Statuen und kollektives Glockenläuten, um Zahnschmerzen vorzubeugen? Das klingt nach einer herrlichen Alternative zum Kreuzberger Myfest; wo billige Elektromukke, Dixi-Klos und schlechtes Bier aus Plastikbechern, die politischen Themen und Diskussionen ohnehin schon längst auf die Randbühnen verwiesen haben.
Cocullo, nächstes Jahr sind wir dabei! Denn jetzt mal ehrlich, Zahnschmerzen sind definitiv noch unerfreulicher als schlechtes Bier und billige Elektromukke!
Mehr Infos über das Schlangenfest in Cocullo:
Alle, die noch nicht überzeugt sind und noch mehr erfahren möchten, finden in den folgenden zwei Zeitungsartikeln, die fast 20 Jahre trennt, ausführliche Erfahrungsberichte vom Schlangenfest in Cocullo:
- „Prozession der Schlangen“ – Die Zeit vom 29. April 1983
- „Die Schlangen des heiligen Dominikus“ – Die Welt vom 01.Juli 2006
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