Die höchsten Gipfel der Abruzzen sind in weiter Ferne. Es ist Freitagabend 21:48 Uhr. Ich bin alleine zuhause, nur zwei Fliegen leisten mir (gegen meinen Willen) Gesellschaft. Draußen ist Soundcheck. “It’s like Rajaiiin on a morning day.“

Sant’Antonio im Festtagsgewand
Der Text ist falsch und es klingt wie Kinderenglisch. Die Irre von nebenan schreit „fate casino“ dann verstummt auch sie wieder. Es bleiben die Akustikgitarre, Frauengesang und tobende Kinder. Heute ist Raiano Unplugged. Großes Fest in Sant’Antonio, dem Altstadtviertel von Raiano.
Den ganzen Nachmittag hat es geregnet. Statt flatternd hängt meine Wäsche triefend in der Gasse. Die Fliegen nerven krass und ich versuche endlich mal wieder einen Beitrag für die Seite zu schreiben. Läuft schleppend; aber das ist normal.
Die Abruzzen; (m)eine Berg und Tal Fahrt
30 Jahre Großstadtleben haben mich für das einfache Landleben verkorkst und die Anpassung an den abruzzischen Dorfalltag definitiv nicht vereinfacht. Der Ausbruch aus dem Hamsterrad katapultierte mich geradewegs in den Hamsterkäfig. Mein neues Leben? Ein eingelaufener Pullover. Ein ziemlich bunter.
Von der ersehnten Freiheit, der Wildnis und den endlosen Weiten ist innerhalb des Dorfes nur wenig übrig. Erschlagen von lauten Stimmen, großen Herzen, vollen Tellern und engen Gassen, ist das Dorfleben für ungeübte nicht immer ein Sonntagssparziergang sondern manchmal eher Spießroutenlauf.
Überhaupt scheint alles komplizierter zu sein als in Berlin und dauert mindestens doppelt so lange. Auch das Schreiben. Ohne Internet und die richtige Motivation konnte das nur schief gehen. Etliche Entwürfe habe ich in der Zwischenzeit angefangen aber nie beendet.
Denn hauptsächlich drehte sich das meiste dann doch eher um mich, als um die Abruzzen.
So wie bei Werther, der über seine Lotte schreibt und dabei eigentlich immer mehr bei sich selbst als bei ihr ist. Werther fand ich unerträglich und hab das Buch nie zu Ende gelesen; genau deswegen.
Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt…
Glücklicherweise hat Goethe noch mehr geschrieben als die Leiden des jungen Werther. Von ihm stammt nicht nur das (mittlerweile recht abgedroschen) Zitronenblüh-Zitat sondern auch das folgende:
„Berge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler“
Für den Wiedereinstieg genau das richtige! Die höchsten Gipfel der Abruzzen sind wesentlich interessanter, als mein popeliges Eingewöhnungsdown. In diesem Sinne: Vorhang auf für die stillen Meister. #Micdrop
Über alle Berge: Die höchsten Gipfel der Abruzzen
Quer durch Italien zieht sich der Apennin, mit 1.500 Kilometern der längste Gebirgszug der Peninsula. Schroffe Hochgebirge wechseln sich mit grünen Hügellandschaften ab. Der höchste Gipfel knackt fast die 3.000 Meter und liegt, wie könnte es auch anders sein, in den Abruzzen.
Da verwundert es kaum, dass auch der Rest der Region hauptsächlich von den Bergen geprägt ist. Dreiviertel der Gesamtfläche der Abruzzen liegen auf einer Höhe von über 700 Metern. Das Territorium umfasst insgesamt über 30 Naturreservate und vier (National-)Parks. Damit steht fast die Hälfte der Abruzzen unter Naturschutz.
Tourentipps zu Wanderrouten und Bergtouren in den Abruzzen findest du auf Tourentipp.com

Die Kirche Santa Maria della Pietà von der Burgruine Calascio aus gesehen (Gran Sasso)
Ein Überangebot an faszinierenden Landschaften, die einen nicht nur frische Bergluft atmen lassen, sondern auch den Duft von echtem Abenteuer- und Entdeckergeist verströmen. Es folgt ein Überblick über die höchsten Gipfel der Abruzzen: Gran Sasso, Majella, Sirente und Velino.
Die höchsten Gipfel der Abruzzen: Der Gran Sasso
Der Gran Sasso (der große Fels) ist der der unangefochtene Chef der abruzzischen Bergwelt.
Seine Majestät überragt mit 2.912 Metern nicht nur die Abruzzen, sondern die ganze Apenninen. Corno Grande (großes Horn), heißt der höchste Gipfel der Abruzzen, ein gigantischer Felsblock aus hellem Kalkstein der fast senkrecht in die Höhe ragt. Unterhalb der Nordwand des Corno Grande befindet sich der Calderone, der südlichste Gletscher Europas.

Il Corno Grande des Gran Sasso Bergmassivs
Südlich des Bergmassivs hingegen erstreckt sich auf einer Höhe von 1.800 Metern eine gigantische Hochebene: das Campo Imperatore. Schier endlose Wiesen und Weideflächen bieten einen lebendigen Kontrast zu den kargen Felswänden. Japanische Reisegruppen verirren sich hierher nur selten, die meisten bleiben irgendwo in Venedig oder Pisa stecken. Stattdessen tummeln sich hier Schafherden, Kühe und halbwilde Pferde, die einem die extreme Weitläufigkeit der Ebene erst richtig bewusst werden lassen.
Das Abruzzen Starterpack:
Der fast 150.000 Hektar große Nationalpark „Gran Sasso und Monti della Lega“ ist eine Anziehungspunkt für Naturliebhaber, Wanderer, Kletterer, Bergsteiger und Skifahrer. Piccolo Tibet, klein Tibet wird der Landstrich auch genannt.
Ein Besuch in der Burgruine Rocca Calascio gehört zum Pflichtprogramm eines jeden Abruzzenbesuchers.

Rocca Calascio
Unvergesslich ist auch eine Mittagspause in Fonte Vetica, oberhalb von Castel del Monte, im Rifugio Mucciante. Das Rifugio Mucciante ist eine Metzgerei und Grillstation die einen die Abruzzen auf der Zunge zergehen lassen.

Fonte Vetica, wo man die Eingeborenen bei ihrem Nationalsport beobachten kann: Grillen
Lokale Produkte, d.h. Arrosticini (gegrillte Schafsspieße) Bergkäse, Salsiccia, Brot und Wein. Das alles auf 1.600 Metern, eingebettet in Felsen, Wolken und Rauchschwaden, auf Holzbänken sitzend mit dem Wind in den Haaren, während Schafherden vorbeiziehen.
Abruzzen pur!
Die höchsten Gipfel der Abruzzen: Die Majella
Die Majella, auch „la montagna madre“ (Mutterberg) genannt, ist die unangefochtene weilbliche Hauptrolle bei unserem Gipfeltreffen. 1991 wurde der fast 75.000 Hektar große Nationalpark Majella gegründet. Höchster Gipfel ist der Monte Amaro, (der bittere Berg) der es auf 2,793 Meter Höhe bringt. Skifahren mit Meerblick? Die Majella macht’s möglich!

Die Majella © Federico Robertazzi (Flickr)
Die Legende von Maja
Um die Majella rankt sich die tragische Legende einer Mutter (Maja), die vergeblich versucht ihren sterbenden Sohn (Hermes) zu retten. Ihre einzige Hoffnung ist ein Heilkraut, das im Winter unter dem Schnee jedoch nicht zu finden ist. Hermes stirbt und seine trauernde Mutter begräbt ihn auf dem Gran Sasso, der heute noch den Beinamen „Il Gigante che dorme“ der schlafende Riese“ trägt.
Der Schmerz und die Trauer um ihren Sohn lässt auch Majas Kräfte schwinden. Ihren letzten Atemzug tut Maja auf dem Berg, der heute ihren Namen trägt, die Majella. Dort wurde sie von den mitleidigen Hirten begraben, die ihre Grabstätte mit allerlei Blumen und Kräutern schmückten. Für die Menschen der Abruzzen ist die Majella die Mutter, ein Symbol für die Fruchtbarkeit. Sie ist die Erde selbst.
Die ausführliche Geschichte von Maja und Hermes könnt ihr hier bei abruzzen4you nachlesen.
Zufluchtsort für Einsiedler

Abbazia di San Martino in Valle

Eremo di San Bartolomeo in Legio (bei Roccamorice)
Die Majella beherbergt eine nicht nur eine enorme Bandbreite von Pflanzen und Tieren (Bären, Wölfe, Adler, Gemsen, Falken, Stink- oder Stacheltiere) sondern auch einen Großteil der fast 100 Einsiedeleien, die sich in den Abruzzen verbergen.
Für Einsiedler war das Muttergebirge ein Ort der Kontemplation und des Gebets. In Armut lebten sie zurückgezogen im Einklang mit der Natur ein gottgefälliges Leben.
Hinterlassen haben sie die „Eremi“ (Einsiedeleien) einzigartige Pilger- und Rückzugsorte, in Felsen eingebettete Kapellen und Grotten; kurz: bescheidene Heiligtümer mit einer ganz besonderen Aura.
Der Monte Velino
Platz drei der höchsten Gipfel der Abruzzen nimmt der Monte Velino ein. Der Monte Velino ist mit seiner Höhe von 2487 der höchste Gipfel des Massivs Sirente Velino.

Reste des Amphitheaters von Alba fucens am Fuße des Monte Velino © Hermi200 (Wikipedia)
Seine Rolle als „Herrscher“ über das Tales wurde bereits in der Vergangenheit erkannt, wie bereits sein Name vermuten lässt (ursprünglich von „BELU“ was so viel wie Herrscher bedeutet und „inu“ Fluss, See).
Kein See in Sicht

Das Schloss von Celano am Fuciner See © Internet Archive Book Images (Flickr)
Nicht alle wissen das die große Ebene zu Fuße des Velino einst der größte Binnensee Italiens war, der Fuciner See. Schon zu Römerzeiten hat man versucht ihn trocken zu legen. Kaiser Claudius war es, der den ersten Kanal zur Entwässerung des Beckens baute. Um die monumentale Ingenieurleistung einzuweihen veranstaltete er eine Seeschlacht auf dem Lago Fucino, 19.000 Menschen und 100 Boote nahmen an dem Spektakel teil. Trotz der Feierlichkeiten war das Projekt ein Reinfall. Andauernde Erdrutsche machten den Kanal unbrauchbar. Erst im Jahr 1878 gelang die erfolgreiche Trockenlegung des Fuciner See.
Auch der Velino beherbergt eine lebendige Vielfalt der Flora und Fauna. Unter anderem auch der mittlerweile äußerst selten gewordene Gänsegeier.
Wenn man über sich also Geier kreisen sieht, dann ist das ein gutes Zeichen. Zumindest in den Abruzzen.
GPS Daten der Wanderwege im Nationalpark Sirente Velino stellt der Club Alpino Italiano von Sulmona frei zur Verfügung.
Die höchsten Gipfel der Abruzzen: Der Monte Sirente
Der Monte Sirente gipfelt in 2349 Metern Höhe und ist über eine Hochebene mit dem Monte Velino verbunden. Der Sirente ist der Two-Face unter den höchsten Gipfeln der Abruzzen.
Die Nordseite der Bergkette erinnert ein wenig an die Dolomiten. Sie ist geprägt von steilen Schluchten und tiefen Rinnen. Auf der Südseite hingegen bietet sich ein viel sanfteres Bild. Grasbedeckte Hügel und Weideland, Bäume gibt es kaum. Dafür aber eine andere Kuriosität.
Vor einigen Jahren hat eine Gruppe italienischer und schwedischer Geologen einen Einschlagskrater entdeckt, der von einem vor etwa 1500 Jahren gefallenen Meteoriten erzeugt worden sein soll. Um diesen Krater rankt sich ein großes Geheimnis.
Der Komet der die Welt christianisierte
312 n. Christus stand Konstantin der Große vor einer entscheidenden Schlacht als ihm ein leuchtendes Kreuz mit der Inschrift „Durch dieses siege“ erschien. Daraufhin fasste der Kaiser den Entschluss das Kreuz als Feldzeichen zu nutzen. Und tatsächlich: Er gewann, wurde zum unumstrittenen Alleinherrscher des Römischen Weltreiches und erlies eine Vereinbarung, die der jahrelangen Verfolgung des Christentums ein Ende setzte, bevor er selbst den christlichen Glauben angenommen hat.
Einige Forscher vermuten nun, dass die Lichterscheinung, die zu Konstantins Bekehrung geführt hat, ein Komet war; der Komet, der den Krater auf dem Sirente hinterlassen hat.
Ungefähr 140 Meter breit, ist er heute ein Teich, dessen Entstehungsgeschichte bis heute heftig umstritten ist. Unumstritten ist jedoch, dass man Blick vom Gipfel des Sirente freien Blick die höchsten Gipfel der Abruzzen hat: den Velino, über den Gran Sasso, über die Majella. Wer also wenig Zeit hat und keinen der höchsten Gipfel der Abruzzen verpassen will, für den gibt es einen ausführliche Beschreibung der Wanderung zum Gipfel des Sirente auf hikr.org.
Epilog:
Das waren sie also, die großen Meister und höchsten Gipfel der Abruzzen. Goethe hatte Recht. Berge sind wahrhaftig gute Lehrer. Berge lehren Demut schreibt die Welt und „Demut ist krass“, sagte einst eine Freundin von mir zu Schulzeiten. Recht hat sie; sowohl Tesi als auch die Welt!
Demut bedeutet das Wissen um die eigene Begrenztheit. Heutzutage ist sie vermutlich deshalb aus der Mode gekommen, weil sie uns die (unagenehme) Tatsache vor Augen führt, dass es Dinge gibt, die wir weder beeinflussen noch beschleunigen können. Egal wie vorbereitet wir doch waren, egal wie laut wir jammern und stampfen. Manchmal braucht es ein einfach wenig Demut und Geduld – beides kann man nicht bei Amazon bestellen.
Apropos jammern: Mein innerer Kritiker plädiert dafür, den ersten Teil des Textes zu streichen und das Ende gleich mit. Ich entscheide mich dagegen! In den letzten Wochen hat er sich als ein ganz miserabler Berater herausgestellt. Den Mantel des Schweigens über die eigenen Abgründe zu breiten, scheint mir zwar der einfachste, aber dennoch nicht der richtige Weg zu sein.
Letztlich ist es wie mit dem Martini und der Party: Ohne Tiefen, keine Höhen, oder? In diesem Sinne: prosit! Wofür das wird sich zeigen.
Einen ganz tollen Blog habt ihr hier! Ich bin begeistert und werde auf jeden Fall öfters mal vorbeischauen!
LG aus Marrakesch,
Nadine
Liebe Nadine, vielen Dank fuer deine lieben Worte. Zur Zeit hat sich die Aktivitaet eher in Richtung Instagram (expedition_abruzzen) verlagert, im naechsten Jahr wollen wir den Blog wieder etwas umgestalten und aufleben lassen. Schau also gerne wieder vorbei. Herzliche Gruesse nach Marrakesch aus den Abruzzen, Jule