Schon Mal von Vino Cotto gehört? Tiziana Lucentini (Sommelière und Winzerin) stellt euch in ihrem Gastartikel diese ganz besondere Spezialität der Abruzzen vor:
Der „Vino Cotto“ – die heiße Version des Montepulciano d’Abruzzo
Da zwischen dem adriatischen Meer und dem Apennin gelegen, ist die Region Abruzzen ideal für den Weinbau geeignet. Aushängeschild ist der Rotwein Montepulciano d’Abruzzo, zweifellos der weltweit berühmteste Wein der Abruzzen. Und ihn gibt es in einer ganz besonderen Variante.
Montepulciano ist nicht gleich Montepulciano
Der Montepulciano d‘Abruzzo besteht zu mindestens 85 % aus der Rebsorte Montepulciano – das klingt im ersten Moment logischer als es ist. Denn allzu leicht kann man ihn mit seinem Namensvetter, dem Vino Nobile di Montepulciano, verwechseln. Und der hat mit der Rebsorte Montepulciano nichts zu tun. Er besteht zu größten Teilen aus der Sangiovese-Traube und erhält seinen Namen von seinem Herkunftsort, der Stadt Montepulciano in der Toskana. Und während er sich im gehobenen Preissegment bewegt, ist der Montepulciano d’Abruzzo relativ preisgünstig, und nebenbei auch in Deutschland weitverbreitet.

Ein Montepulciano d’Abruzzo trinkt man in den Abruzzen auch Mal stilecht im Plastikbecher – auf 1.600 Metern inmitten Campo Imperatore im Gran Sasso Nationalpark.
Vino Cotto – seit der Antike eine Spezialität
Seine interessanteste Variante ist jedoch außerhalb der Abruzzen kaum bekannt: der Vino Cotto („gekochter Wein“). Es handelt sich um ein Getränk, das bereits die Römer in der Antike kannten – sie nannten es den „Nektar der Götter“. Entsprechend erfreute der Vino Cotto schon den Gaumen von römischen Kaisern, und wir finden ihn sogar in Schriften von Plinius dem Älteren und anderen römischen Autoren.
Dank der bäuerlichen Tradition, bei der das Rezept von Generation zu Generation weitergegeben wird, ist es bis in unsere Zeit gelangt. Heute wird der Vino Cotto von den Familien traditionell für besondere Anlässe als Zeichen der Gastfreundschaft ausgeschenkt, aber auch als Medizin genutzt. So wird er bei Erkältungen seit Jahrhunderten als Heilmittel eingesetzt.

Was auf den ersten Blick vielleicht aussehen mag wie einen Glocke ist in Wirklichkeit das traditionelle Gefäß, in dem der Vino Cotto seit Generationen zubereitet wird.
Und was genau ist Vino Cotto?
Vino Cotto ist nicht etwa ein erhitzter Wein, wie man vielleicht denken könnte. Mit Glühwein hat er also nichts zu tun. Zur Herstellung von Vino Cotto werden die Montepulciano-Trauben gepresst, der Most in Kupferkessel gefüllt und langsam über direkter Hitze für rund. zehn bis zwölf Stunden gekocht. Während des Kochvorgangs entsteht ein Schaum, der nach und nach abgetragen wird, bis das Volumen auf die Hälfte reduziert ist. Nach dem Kochen wird der noch heiße Most in Holzfässer gefüllt, wo er vergoren wird. Danach reift er für mindestens fünf Jahre.
Wie schmeckt Vino Cotto?
Vino Cotto hat die Farbe von cremigem, dunklem Karamell. Er riecht nach kandierten Früchten, und im Mund entfaltet er einen angenehm süßen Geschmack. Mit einem Alkoholgehalt von 14-15 % ist er außerdem reichlich kräftig. Bei Tisch findet er in den Abruzzen vor allem als Dessertwein Anwendung, und passt daher ideal zu Süßspeisen. In Deutschland ist er nicht so leicht zu finden. Eher findet man den „Vincotto“, der aber eine alkoholfreie Soße für Salate und Süßspeisen ist, ähnlich dem Balsamico – also bitte nicht verwechseln beim Einkauf oder beim Online-Shopping!
Am Ende bleibt euch wohl nichts anderes übrig, als in die Abruzzen zu reisen, um den echten Vino Cotto zu probieren!
Über die Autorin:
Tiziana Lucentini ist Sommelière (Diplom des Italienischen Sommelier-Verbands AIS) und Winzerin in fünfter Generation. Sie pendelt zwischen München und Italien und veranstaltet Weinseminare, Firmen-Events sowie Verkostungen.
Auf ihrer Website https://sommeliertiziana.com/ widmet sie sich jeden Monat einem neuen Thema und bietet eine passende Online-Verkostung dazu an.
Besucht Tiziana unbedingt auf ihrem Blog und erfahrt von ihr mehr über die fasziniernde Welt des Weines!